OVT: Frau Wirnsberger, durch Corona fürchtet man eine Zunahme von psychischen Spannungen in den Familien. Was könnte man bei aufkommenden Problemen dagegen tun?
Martina Wirnsberger: Ja, die Befürchtung ist schon längst zur Realität geworden. Die Familien sind mit vielen ungewohnten und neuen Themen konfrontiert. Diese Frage allgemein zu beantworten ist schwierig. Doch ich möchte den Lesern Mut machen, den Schritt nach außen zu wagen. Es gibt so viele Möglichkeiten – oft mit nur einem Gespräch – Druck aus der Situation zu nehmen. Hotlines, Beratungsstellen und auch meine Kolleginnen und ich sind telefonisch erreichbar. Auch ein Spaziergang hilft wieder Abstand zu gewinnen und einen freien Kopf zu bekommen. Abwarten, unter den Teppich kehren und die Augen zu machen bewirkt nichts.
Spüren Sie mittlerweile auch bei Ihnen selber beruflich einen stärkeren Zulauf über die letzten Monate?
Ja, ich bemerke es natürlich. Besonders junge Menschen und Familien mit Kindern sind jetzt sehr gefordert. Das Leben hat sich schon ziemlich verändert. Viele spüren, dass der Druck einfach zu groß und zu schwer wird. Ich bin froh, dass ich dann als Ansprechpartnerin wahrgenommen werde und der erste Schritt – der Anruf – getan wird.
Welche Themenschwerpunkte behandeln Sie? Was bedrückt die Klienten am meisten?
Alles was so daher kommt, kommt bei mir zur Sprache. Über´s Leben reden halt! Ängste um Beruf und Finanzielles gepaart mit Home-Schooling und Home-Office macht das Zusammenleben um ein Vielfaches schwieriger. Beziehungen aller Art sind hohen Belastungen ausgesetzt. Da ich auch Beratungsgespräche in der Natur mache, bin ich auch in diesen Zeiten flexibel und treffe mich mit Klienten einfach draußen, mit Maske und Abstand. So können sich alle sicher fühlen und neue Gedanken und Ideen können entstehen.
Sie werden bei Ihrer Arbeit mit vielen Gemütszuständen konfrontiert, müssen beschwichtigen, aufbauen etc. Welche Ausbildung brauchten Sie darür?
Die Ausbildung dauert sieben Semester und ist breit gefächert. Themen aus Medizin, Psychologie, Psychiatrie, Recht und sehr viel Methodik und Selbsterfahrung werden gelehrt und gelernt. In meiner Ausbildung lernte ich die Transaktionsanalyse (TA) nach Eric Berne kennen und schätzen. Er geht davon aus, dass jeder Mensch in Ordnung ist, so wie er ist. Der Grund und zugleich die Lösung von Problemen oder Konflikten liegt in jedem Menschen selber. Dieses Grundprinzip hat mich begeistert und kommt mir als Person sehr entgegen. Die wertschätzende und empathische Haltung ist für mich eine Grundeinstellung.
Was war ihr persönlicher Auslöser für ihre Arbeit?
Menschen aus meinem Umfeld fragten mich oft um Rat und um meine Meinung zu ganz privaten, oft schwierigen Themen. Mein Interesse und mein Wunsch ihnen zu helfen war immer groß. So merkte ich, dass ich mehr fachliches Wissen rund um die psychologische Beratung haben möchte. Die Ehe- und Familienberatung (EFB) Ausbildung bei der Caritas in Klagenfurt und St. Georgen am Längsee war genau das, was ich brauchte. Im Praktikum, das ich bei der Familienberatungsstelle „VitaminR“ in Radenthein absolvierte, konnte ich mir den praktischen Teil erarbeiten.
Bekommen kommen Sie nach getaner Arbeit schon auch mal ein „Danke“ für ihre Hilfe?
Ja, das kommt oft vor. Es ist schön, wenn Klienten ihren Weg wieder gestärkt und mit neuen Blickwinkeln weitergehen können. Besonders freut es mich, wenn ich sie später wieder treffe und sie mir mit Begeisterung erzählen, wie es ihnen geht.
Was möchten Sie unseren Lesern noch sagen?
Ich möchte alle Leser dazu ermutigen, sich besonders in fordernden Zeiten Unterstützung zu holen. Es ist gut, von psychologisch gut ausgebildeten Menschen Hilfe anzunehmen. Wenn jemand beim Einkaufen ein Schnäppchen erwischt oder wenn jemanden im Job was gut gelingt, dann erzählt man es gerne. Doch wenn jemand Beratung in Anspruch nimmt und wieder in seine Kraft kommt, erzählt er es niemanden. Das ist immer noch ein Tabuthema und das muss sich ändern.
Welchen Wunschtraum hätten Sie privat für sich? Nach Corona mal eine Weltreise oder doch etwas ganz Anderes?
Eine Weltreise nicht, aber noch einmal nach Israel zu reisen – das steht ganz oben auf meiner Wunschliste! Dieses schöne Land, besonders Galiläa mit seinen Geschichten, hat meinen Mann und mich voll und ganz in seinen Bann gezogen.
Und wie gefällt Ihnen der „Oberkärntner Volltreffer“ gern noch abschließend gefragt?
Ich lese den „Volltreffer“ immer gerne. Nicht zu dick und trotzdem viel Inhalt. Danke, dass ihr eure Zeitung so interessant gestaltet!
Beruf: Dipl. Ehe-, Familien- und Lebensberaterin
Sternzeichen: Steinbock
Ich schaue gerne (TV, Film): Serien mit historischem Hintergrund (z.B. Die Telefonistinnen)
Lieblingsgetränk: Gin Tonic in all seinen Varianten
Lieblingsblumen: Sonnenblume und Orchideen
Lebensmotto: „Hör nicht auf dich lernend zu verändern“