Lisa Engel (59) kam 2015 spätberufen zur Kunst. Dieser Wunsch verfolgte jedoch die ehemalige Journalistin und Pressefotografin seit Kindertagen. Jüngst war die Spittalerin mit ihren Puppen im Alten Theaterhaus des Klostergartens Millstatt zu sehen. Lisa Engel ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und lebt mit ihrem Mann und dessen Enkel seit bald drei Jahren in Spittal.
OVT: Frau Engel, Sie entschieden sich rund um ihren 50. Geburtstag, Künstlerin zu werden. War das schon ein Kindheitswunsch oder steckt noch ein Gedanke dahinter?
Lisa Engel: Zu meinen Kunst-
figuren kam ich erst im Laufe der kompromisslosen Hinwendung zur Kunst im Jahr 2015. Meine erwachsenen Kinder waren flügge. Da erinnerte ich mich an ein Versprechen, das ich mir als Alleinerziehende gegeben hatte: Sollte ich jemals die Gelegenheit haben, der Künstlerin in mir Raum zu geben, dann nutze ich sie. Von 2015 bis 2018 arbeiteten mein Mann und ich im Raum Althofen künstlerisch und ehrenamtlich mit geflohenen Menschen. Mit allen Möglichkeiten, die uns Freude machten – malen und zeichnen, Fotografie, Theaterspiel und Upcycling von Textilien. In dieser Zeit fiel mir ein, dass ich als Kind Figuren der Kärntner Puppenkünstlerin Elli Riehl in einer Ausstellung gesehen hatte. Figuren dieser Art wollte ich ausprobieren.
Welcher Art sind Ihre Puppen?
Ich würde sie als Künstlerpuppen oder Kunstfiguren bezeichnen. Es sind keine Kinderpuppen, sondern liebenswerte Figuren für Erwachsene. Mich interessierte schon als Journalistin und Fotografin, wie Menschen ein gelingendes Leben führen. Mit meinen Figuren kann ich das sehr gut sichtbar machen. Dass ich vor allem weibliche Figuren anfertige, ist mein Beitrag für unsere Gesellschaft von Männern und Frauen. Frauen und ihre gemeinschaftlich gedachten Lösungsstrategien in allen Lebenslagen müssen für die anstehenden Veränderungen noch viel bereitwilliger eingesetzt werden.
Sind auch „männliche“ Puppen darunter? Und was hat das nun mit den Ratten auf sich?
Da gab es ein paar männliche
Figuren, ja! Meine Ratten-Serie entstand in der Pandemie, ein Jahr, nachdem ich mich als Künstlerin angemeldet hatte. Ich hatte zu Beginn einen Heidenrespekt vor diesem neuen Virus. In meiner intensiven Auseinandersetzung mit der Angst vor dem Tod entstand in meiner Fantasie die „Weise Rättin“. Schreibend und reflektierend diktierte sie mir, dass der Tod jederzeit kommen kann. Und dass es in diesem Leben ums Leben geht. Diese künstlerische Phase mit vermenschlichten Tierkörpern hielt noch drei Jahre an. Es entstanden beseelte und lebendige Ratten und Drachen aus Schafwolle, Draht und wiederverwendeten Textilien. Jede mit ihrer eigenen Geschichte.
Was ist Ihnen bei Ihren Arbeiten wichtig? Und wie lang braucht es, bis so eine Puppe fertig ist?
Bei mir entstehen Unikate in Handarbeit, ich mache alles selbst. Ich habe ungefähr fünf Jahre fast ausschließlich Körper und Gesichter aus Schafwolle mit Filznadeln geformt. Oder sie, wie Elli Riehl, mit Nadel und Bindfaden abgenäht. Dabei stieß ich an künstlerische Grenzen und begann, mit Pappmaché zu experimentieren. Mittlerweile koche ich mir dieses Material selbst und ersetze die Schafwolle immer mehr. Mein Perfektionismus für dieses Handwerk ist groß. Meistens brauche ich vier bis sechs Wochen für einen Körper und seine handbemalte und bestickte Kleidung.
Wo holen Sie sich Ihre Ideen her? Tauscht man sich vielleicht als Puppenmacherin mit Gleichgesinnten aus?
Meine Geschichten entstehen durch Reflexion meines eigenen Alltags als Frau und durch den Austausch mit anderen Menschen. Wir alle stehen immer wieder vor Herausforderungen. Für mich sind diese Übergangszeiten etwas ganz Besonderes. Das Alte funktioniert nicht mehr. Das Neue ist noch nicht greifbar. Was hat in der Vergangenheit in diesen Schwellenzeiten gut geholfen? Was brauchen wir, um den ersten mutigen Schritt ins Neue zu
wagen? Diese Geschichte wird in der Haltung und Kleidung meiner Figuren sichtbar.
Ihre Puppen – ob Alma, Yaruna, „Dancing Mama Africa“ – sind mittlerweile weit über Oberkärntner Grenzen hinaus „daheim“. Wie sehr freut Sie das?
Als künstlerisch Schaffende freut es mich natürlich sehr, dass nicht nur ich meine Figuren liebe, sondern dass auch andere Menschen sich von ihnen angezogen fühlen. Adoptionsmöglichkeiten meiner Figuren bestehen bei Ausstellungen. Wie zum Beispiel im November im Alten Theaterhaus im Millstätter Klostergarten. Außerdem nehme ich zwischen meinen eigenen Serien handverlesene Auftragsarbeiten an. Ich suche mir meine Kundinnen aus. Wir führen ein Gespräch, ob wir zueinander passen und im Anschluss, welche Wirkung die Figur haben wird. Diese Arbeit macht mir zunehmend Freude. Außerdem bin ich mit meiner Website (lisaengel.at) und auf Linkedin online präsent.
Corona haben ja viele nicht in allerbester Erinnerung, für Sie war‘s aber eine dennoch nicht so arge Zeit!
Ich nutzte diese berufliche Pause intensiv, um bei Künstlerinnen in England, Amerika, Neuseeland und Australien das neue Handwerk gründlich zu lernen. Ich, die Autodidaktin, saß viele Nächte im Pyjama im Live Call, weil die Zeitverschiebung so unterschiedlich groß war. Es waren großartige Lehrerinnen. Wir sind heute noch miteinander verbunden.
Andererseits: Welchen Wunsch hätten Sie privat neben Ihrem künstlerischen Tun noch?
Derzeit träume ich von einem sonnigen, lichtdurchfluteten Atelier am Millstätter See. Und von einem gemütlich eingerichteten kleinen Campingbus, der mich zu den Workshops mit Kindern und Erwachsenen im DACH-Raum bringt, die mein Handwerk erlernen wollen.
Und wie gefällt Ihnen der „Oberkärntner Volltreffer“ gerne noch abschließend gefragt?
Ich lerne ihn durch Ihre Anfrage erst kennen und bin ganz berührt von dieser Serie!
Kurz gefragt:
Lisa Engel
(Spittal)
Freischaffende Künstlerin
Sternzeichen:
Wassermann, Aszendent Fisch
Ich höre gern (Musik):
Querbeet, von Debussy über Jazz bis Alan Parsons Project
Lieblingsgetränk:
derzeit heißer Apfelpunsch
Lieblingsblume: Akelei
Lebensmotto: Sei realistisch, glaub an Wunder!