OVT: Pater Slawomir, was wünschen Sie sich anlässlich „Ein Jahr Krieg in der Ukraine“ persönlich, aber auch für den Rest der Welt?
Pater Slawomir Czulak: Dass endlich Schluss mit dem Krieg ist, die Menschen in der Ukraine wieder zurück in ein ruhiges und geordnetes Leben kehren können. Sie hatten davor zwar auch oft wenig, aber es war ein Daheim. Jeder braucht doch irgendwo einen sicheren Platz.
Wie kamen Sie nun zum Organisieren der Hilfskonvois?
Am 25. Feber 2022, also einen Tag nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, hatte ich eine Firm-Stunde. Dabei stellte sich mit den Kindern die Frage: „Was können wir machen?“ Dabei kam es zum erstening um Sachspenden auf Facebook. Ich wusste von Hotels in meiner Heimat Polen, die Flüchtlinge aufnehmen und Hilfe brauchten. Eine Bekannte, Sylwia, die ein eigenes Reisebüro führt und Hotelbesitzerin südwestlich von Krakau ist, hat bereits in der Vergangenheit viele Wahlfahrten in die Ukraine gemacht und so etliche Kontakte geknüpft, von denen wir wussten, dass sie nützlich sein werden. So entstand die Idee.
Danach ging eigentlich alles Schlag auf Schlag!
Bereits wenige Tage danach waren wir erstmals mit drei Neunsitzer-Bussen, die voll beladen waren, acht Stunden nach Polen unterwegs, um Flüchtlinge dort mit dem Notwendigsten wie Kleidung, Essen, etc. zu versorgen. Als wir nach zwei Tagen wieder zurückkamen, folgte eine große Überraschung: Im Pfarrhof standen Stromaggregate, Waschmaschinen, Kühlschränke, Öfen bis hin zu zig Kartons mit Kleidung. Da war klar: Die Spendenbereitschaft war groß und wir mussten Zelte aufbauen, um alle gespendeten Güter gut verwahren zu können. Für die kommenden Hilfstransporte mussten auch Großtransporter organisiert werden, was uns gut gelungen ist. Besonders die ersten zwei Monate nach Kriegsbeginn waren herausfordernd und ich war zu dieser Zeit selbst beinahe wöchentlich in Polen. Aktuell unternehmen wir eher kleinere Transporte mit Essen, Medizin oder auch medizinischen Geräten.
Von woher kamen all diese Sachspenden?
Hauptsächlich von Vereinen, aber auch von Firmen, Schulen und natürlich privaten Personen. Wir haben mit unserer Aktion Menschen von Villach bis hinauf nach Lienz erreicht, die uns unterstützt haben und immer noch unterstützen. Wichtig ist mir anzumerken, dass viele Menschen aus meinem nahen Umfeld mitgeholfen haben, indem sie die Sachspenden angenommen, sortiert und auch in die Lkws verladen haben. Ohne diese Hilfe wäre all das nicht möglich gewesen.
Eine Bekannte aus Tirol spielte ja auch eine große Rolle.
Eine sehr große. Aufgrund der großen Spendenbereitschaft rief ich Melanie in Kufstein an. Ich kenne sie von ihrem Millstatt-Urlaub und wusste, dass sie bei einem Transportunternehmen arbeitet. Sie fragte mich bloß: „Was brauchst du?“ Und in den nächsten Tagen waren plötzlich vier Lkws für Hilfslieferungen da! Daraus wurde dann auch der größte Hilfskonvoi-Zug.
Diese Oberkärntner Spenden blieben aber nicht nur in Polen?
Ein Teil der Sachspenden wurde beispielsweise in Sylwias Hotelräumen aufgelegt. Dort konnten sich die geflüchteten Menschen alles holen, was sie für den Alltag brauchten. Ein Teil wurde von dort aus auf einer ausgewählten Route mit Klöstern, Pfarren etc. in die Ukraine „geliefert“. Und eine spezielle Gruppe versorgte selbst die Soldaten an der Frontlinie.
Wie nahe geht Ihnen dieser Krieg persönlich?
Ich bin sehr betroffen, gerade auch weil ich viel organisiere, quasi Vermittler bin. Ich kenne viele ukrainische Familien, die jetzt in Polen wohnen. Ich weiß um deren Leid. Es gab viele Männer, die ihre Familien, vor allem junge Mütter mit Kindern, an die Grenze brachten und dann zurück an die Frontlinie gingen. Ich habe Frauen kennengelernt, die jeden Tag ängstlich auf Nachrichten vom Ehemann, Vater oder Bruder gewartet haben. Mir wurde berichtet, dass sich Familienangehörige, die nicht flüchten konnten oder wollten, nicht mehr aus ihren Kellern hinausgegangen sind, aus Angst vor dem Krieg, was ich gut verstehen kann. Im Kriegsgebiet wurden fixe Zeiten ausgemacht, in denen Hilfslieferungen gemacht werden konnten und wo einem zugesichert wurde, dass es zu keinen Angriffen kommen würde. Sylwia hat von Polen aus solche Hilfslieferungen organisiert. Und einmal haben wir dann erfahren, dass nur drei Stunden nachdem sie dort war, ein russischer Drohnenangriff stattgefunden hat, bei dem viele Menschen getötet wurden. All dieses Erlebte müssen die Leute letztlich verarbeiten und verkraften. Das geht oft mit psychischen Problemen einher. Wenn man, wie ich, so „direkt“ dabei ist, dann ist das sehr prägend.
Wie viele Spenden konnten Sie denn bis heute sammeln?
Es sind ungefähr 65 Tonnen insgesamt – vom Kleidungsstück bis hin zum Ofen.
Machen wir nun einen Gedankensprung! Mit ihren Hilfslieferungen erfüllen Sie viele „Wünsche“ – welchen Wunsch hätten Sie eventuell privat?
In Millstatt ist es so schön, in Kärnten überhaupt – daher ist es für mich wichtig, meine Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind. Ich habe viele Freunde und Bekannte, fahre etwa ein- zweimal im Jahr im Urlaub von Millstatt nach Polen oder bin mit einer polnischen Gruppe in Ex-Jugoslawien. Mein Wunsch wäre, dass das alles so bleibt.
Nach zwei Corona-Jahren kann heuer auch Fasching wieder so richtig gefeiert werden. Auch dazu haben Sie ja einen Bezug!
Ich glaube, ich bin ein sehr humorvoller Mensch, deshalb war ich auch kürzlich wieder bei der Millstätter-Faschingssitzung. In ihren Sitzungen bin auch ich immer wieder Thema, was mich zum Lachen bringt. Ich besuche aber ebenso gerne auch Konzerte, bin in Galerien innerhalb als auch außerhalb Kärntens unterwegs.
Abschließend noch: Wie gefällt Ihnen der Volltreffer?
Ich blättere ihn gerne durch, weil ich lokale Zeitungen generell interessant finde. In Zukunft wird aber wohl das Interview im „Volltreffer“ mein Favorit sein!
Rund 65 Tonnen Hilfsgüter verließen Millstatt bereits in Richtung Ukrainische Grenze. Fotos: privat
Kurz gefragt:
Sternzeichen: Jungfrau
Ich höre gern (Musik): alles bis auf Jazz und Blues
Leibgericht: Indisch. Durch einen indischen Kaplan, der einst bei uns war, habe ich meine Vorliebe dafür entdeckt. Daher koche ich mir hin und wieder gerne etwas mit original indischen Gewürzen.
Lieblingsblume: Ab und zu rauche ich eine Pfeife oder Zigarre.
Lebensmotto: Von allem was ich geliebt habe – du bist der Erste (der liebe Gott).