OVT: Herr Ortner: Sie bestiegen 2011 den Mount Everest, 2012 den Aconcagua - das „Dach Südamerikas“ - und mit dem Elbrus den höchsten Berg Europas, dann 2013 den Kilimanjaro - Was treibt einen Alpinisten an?
Die Neugierde! Ich war immens neugierig, ob ich es schaffen kann, ob man den Schwierigkeiten gewachsen ist. Es begeistern auch die fremden Länder und Kulturen. Am besten hat mir bisher Afrika gefallen. Die Gegensätze sind dort am größten, landschaftlich und von den Menschen her. Und natürlich der Everest ist so interessant, weil es eben der höchste Punkt der Erde ist. Das will man erlebt haben.
Sie haben fünf der „Seven Summits“ bestiegen.
Die Idee der Seven Summits entstand nach der Besteigung des Mt. Everest. Und diese Idee ist noch nicht ganz abgeschlossen, sollte aber noch im Laufe der Zeit fertig gemacht werden. Der Denali - das ist der ehemalige Mount McKinley in Alaska - und der Mt. Vinson in der Antarktis fehlen noch, dann habe ich alle sieben Gipfel geschafft.
Mit dem Everest haben sie sich einen Traum erfüllt. Wie lange „träumen“ sie schon?
Seit meinem fünften Lebensjahr begeistert mich die Natur und vor allem das Bergsteigen. In der Kindheit musste ich viel Zeit auf der Alm verbringen. Ich war Asthmatiker und wurde deshalb auf die Frohnalm geschickt und habe dort oben als Hüttenbursche geholfen. Überhaupt war ich seit meiner Jugend viel in den Bergen unterwegs. Eine junge Gruppe, zu der auch mein Cousin Engelbert Guggenberger gehörte, hat mich da mitgezogen. Engelbert ist damals schon viel geklettert und es haben sich einige Leute rund um ihn gefunden, die mich inspiriert haben.
Gab es bei Ihren Abenteuern auch wirklich brenzlige Situationen?
Es gab sie auch, aber zum Glück nur sehr wenige und aus diesen kam ich immer unversehrt heraus. Ich habe früh gelernt, die Natur nicht zu unterschätzen. Als 20-jähriger bestieg ich mit einem Freund die Hochweißstein Nordwand. Wir haben die Kälte und die Tageslänge unterschätzt und dann am Berg biwakieren müssen. Im Tal waren recht angenehme Temperaturen und oben hat es dann minus 29 Grad gehabt und wir waren ohne Schlafsack unterwegs. So habe ich ganz früh gelernt, dass man aufpassen muss. Sonst hatte ich bislang noch keine Abstürze. Glück, Training und Vernunft spielten dabei eine Rolle.
Wenn Sie unsere Berge und z. B. das „Dach der Welt“ vergleichen – wo liegen die größten Unterschiede?
Eigentlich ist es nur die Höhe, die Gefahren bleiben die gleichen. Herunten gibt es höhere technische Anforderungen, oben hat man mit der dünnen Luft zu kämpfen. Vom Bergsteigerischen ist es aber vergleichbar. Wichtig ist die Akklimatisation, man muss dem Körper die Zeit geben, die er braucht. Der Aufstieg zum Gipfel des Mt. Everest selbst war nicht so das Thema. Wenn das Wetter mitspielt, kann man ihn in 24 Stunden Schaffen. Bei mir hat es nicht mitgespielt, deshalb habe ich etwas länger gebraucht.
Was ging ihnen dabei durch den Kopf?
Ich war ja ohne zusätzlichen Sauerstoff am Mt. Everest. Das gelang bisher vielleicht erst 230 Menschen und gut die Hälfte davon waren einheimische Nepalesen. Es tummelten sich in den letzten Jahren über 10.000 Leute am Dach der Welt. Das Faszinierende für mich war, dass man das schafft, was nur wenige auf der Welt geschafft haben. Ich war auch bewusst alleine unterwegs, denn in der Gruppe geht der Aufstieg viel schwerfälliger. Man steht dann am Gipfel mutterseelen alleine oben. Ich war 47 Jahre alt, als ich am Everest war und hatte da schon 40 Jahre Bergerfahrung hinter mir. Aber das war schon etwas ganz Besonderes.
Was meinte ihre Frau dazu?
Glücklich war sie nicht, aber sie hat mit meinen Bergabenteuern leben gelernt. Früher war sie auch alpinistisch unterwegs, machte Klettertouren. Heute gehen wir noch Skitouren und ich gehe auch nicht mehr so oft auf Klettertouren, denn ich habe den Kopf dafür nicht mehr so frei. Seit 16 Jahren bewirtschaften wir die Wolayersee-Hütte. Den Sommer über ist man damit ziemlich beschäftigt. Mit meiner Frau, sie ist Köchin, und insgesamt zehn Leuten betreuen wir über den Sommer an die 15- bis 20.000 Gäste, wir haben bis 4.000 Übernachtungen in den 120 Tagen. Da kann man sich vorstellen, was da los ist. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Der karnische Höhenweg ist ja sehr bekannt, geologisch und botanisch interessant. Auch geschichtlich hat sich hier einiges abgespielt, wurde viel aufgearbeitet und der Friedensweg ist mittlerweile positiv besetzt.
Zuhause im Lesachtal führen sie Gäste mit Schneeschuhen und Tourenski in die Natur und luftige Höhen. Wo geht es dabei hin?
Zuhause in St. Lorenzen haben wir eine kleine Pension und ich bin mit unseren Gästen aber auch anderen Interessierten oft in den Karnischen Alpen und den Lienzer Dolomiten unterwegs. Da bewegen wir uns zwischen 600 und maximal 1.900 Höhenmeter. Auch mäßig Trainierte können hier leicht mithalten. Vom Xavierberg marschieren wir durch den Wald auf die verschneite Samalm. Bei schönem Wetter hat man eine Sicht von den Julischen Alpen bis in die Dolomiten.
Was würden Sie als Alpinschulbetreiber jemanden raten, der mit dem Berggehen anfangen möchte?
Bei den Schneeschuhwanderungen im Winter kann man eigentlich sofort mitmachen, beim Tourenskigehen braucht es allerdings einige Technik, die sollte man sich aneignen. In erster Linie sollte man aber die Begeisterung für die Natur und die Berge mitbringen!
Gibt es einen Gipfel, den Sie gerade oder in Zukunft noch im Auge haben?
Die beiden genannten „Summits“. Ich habe Pläne aber es kommt darauf an, ob es machbar ist. Da habe ich keinen Stress, es ist mehr eine Pensionsgeschichte.
Wie gefällt Ihnen der „Oberkärntner Volltreffer“ über die Jahre?
Sehr gut, mit immer netten Portraits und Geschichten.
Helmut Ortner im Netz: www.alpinschule-lesachtal.at
Beruf: Bergsteiger, Hüttenwirt und Alpinschulbetreiber
Sternzeichen: Zwilling
Lieblingsbuch: Der Gläserne Horizont von Reinhold Messner
Mein Lieblingsort: Samalm und der Wolayersee
Motto: Nie Aufgeben und nach vorne schauen