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06. Oktober 2025

Vor 50 Jahren erschien „Ortbestimmung“ – Engelbert Obernosterer:

Engelbert Obernosterer (Jg. 1936), der sprachanalytisch und sprachakrobatisch schreibende Autor ist seit kurzem „Ehrenbürger“ von Hermagor. Obernosterer wurde 1936 in St. Lorenzen/Frohn als siebentes Kind von Bergbauerneltern geboren. Vor 50 Jahren erschien sein erstes Buch: „Ortsbestimmung“. Buchstaben treiben ihn „in die Enge“: der unermüdlich schreibende Kartograf des Landlebens feilt wieder an Miniaturen für ein weiteres Buch. Hier auch einige kurze Antworten auf persönliche Fragen.

Von Karl Brunner

Autor Engelbert Obernosterer publizierte bislang 25 Bücher. Foto: k.brunner

Schon damals, vor über 50 Jahren am Beginn seiner literarischen Karriere, wurde dem Autor von Kritikern - seiner knappen und von inneren Spannungen getriebenen Prosa - sowohl distanzierende Ironie als auch ein erschreckender Lebensernst bescheinigt. Seit damals galt für ihn stets aufs Neue „genau beobachten und (be-)schreiben“, sozusagen mit Lupe und Röntgenblick, scharfer Blick, spitze Feder; die Zahl seiner Bücher ist seither auf 25 angewachsen. „Leben heißt Bindung, denken heißt Lösung und Zerlegung“. Viele Preise und Auszeichnungen konnte er für sein sehr großes schriftstellerisches Werk mit den zahllosen Miniaturen, Aphorismen, Skizzen und Gedankensplittern gewinnen, zuletzt eben wurde er zum Ehrenbürger der Bezirksstadt Hermagor ernannt. Beruflich war er als Lehrer und Kunsterzieher tätig. „Ich versuche die menschlichen Zutaten ein bisschen wegzunehmen – alles, was der Mensch so darüber geschüttet hat. Die Aufgabe besteht im Wegräumen und damit – Bloßlegen. Ich halte mich ans Beobachtbare und nicht an Wertungen“, so Obernosterer.

Mit analytischem Blick

Ein „Freischaufler“, ein Strukturalist, ein sympathischer Querkopf, ein sehr eigenständiger Lesacher und Gailtaler, faszinierend, hartnäckig, widerständig, zuweilen irritierend. Er „wühlt“ sich „durch das Oberflächengeröll der lokalen und beruflichen Wichtigkeiten durch, hinab in Richtung Kind, das ich hätte sein mögen“. Eine brauchbare Alternative zum Leben auf dem Lande habe er nicht im Stadtleben gefunden, sondern im Schreiben, schrieb er einmal. Allerdings lebe er auch wieder gern in Mitschig (bei Hermagor), weil diese ihm vertraute Umgebung am wenigsten anstrenge. Meine Frage nach seinen derzeitigen Aktivitäten bei einem Gespräch in Hermagor erübrigte sich eigentlich, denn Obernosterer schreibt (natürlich) nach wie vor wieder (weiter). „Ich arbeite wie bisher an kleinen Studien mit dem voraussichtlichen Titel „Als Mensch verkleidet". Insgesamt sollen die Miniaturen einen analytischen Blick auf eine an sich banale, für bekannt gehaltene Umgebung werfen. Eine der Bemühungen des Schreibens besteht darin, die Aussichtslosigkeit zu schildern, das im Fluss Befindliche festhalten zu wollen. So bleibt am Ende die Einsicht, dass das Buch wie alle meine Bücher zusammen nur ein „ein Buch schreiben Wollen“ sein kann“.

Ein bisschen weniger reden…

Unter den „Romanhelden“ ist ihm der „Ulysses“ von James Joyce am nächsten. „Seine Aufsplitterung der Existenz in Erlebnispartikel, die Auflösung der Person: sie scheinen mir Konsequenzen der Selbstbeobachtung zu sein. Ich habe nicht den ganzen Ulysses gelesen, aber das spürbare Konzept überzeugt mich...“. Mit Staunen und Bewunderung lese er auch immer wieder Elfriede Jelineks Satzzertrümmerungen, diese befreiten aus der Sprachgefangenschaft und vermittelten ein Gefühl der Bodenlosigkeit. Weitere Antworten auf meine Fragen (a la Proust), „welche Fehler entschuldigen Sie am meisten?“. „Bei „Fehlern" wäre anzugeben, in Bezug auf welche Forderungen etwas fehlt. Das Fehlen von Ehrlichkeit scheint mir besonders folgenreich. Entschuldigen würde ich das Fehlen von Tapferkeit, falls die Kraft zu widerstehen nicht ausreicht“. Wie würdest du deinen Hauptcharakterzug beschreiben? Kurze Antwort: „Passivität, Sachlichkeit“. Am meisten verabscheue er Gestalter der Politik, die das Volk dazu missbrauchen, um ihre persönlichen Bedürfnisse zu stillen. Anständige Menschen ohne Ruhm und Ehre verdienen eher Beachtung und Respekt als sogenannte Helden, speziell Kriegshelden, antwortet Obernosterer. Hat der überaus produktive Autor eine „Lieblingsblume“? „Ich mag besonders die aus Asphaltritzen und Frostaufbrüchen ans Licht drängenden Gewächse, sie müssen mich nicht mit prächtigen Blüten überzeugen“. Noch eine Frage an den sprachlichen Meister, Alltags-Archäologen und Volks-Erkundler nach seinem Motto – es lautet: „Ein bisschen weniger reden, ein bisschen langsamer schauen, und du hast wieder ein ganzes Land für dich allein“.