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02. Januar 2025

E. Obernosterer: „Buchstaben treiben mich in die Enge“

Der Schriftsteller Engelbert Obernosterer hat wieder ein neues Buch veröffentlicht, es hat den Titel „Wolke mit Henkel“ (Wieser, 2024). „Sein letztes Buch“, wie er meint, aber sich dabei nicht so sicher sein könne.

„Wolke mit Henkel“, das neue Buch von Engelbert Obernosterer. Bild: Engelbert Obernosterer.

Der unermüdliche Autor und kritische Kartograph des Landlebens blickt auf 24 Bücher zurück. Er philosophiert hier über Gott und die Welt, über Zwischenmenschliches, eigene Befindlichkeiten (Altersschmerzen), Einsichten, Erinnerungen (Schule, Studium etc.), alles wie immer sehr präzise beobachtend. Er, immer wieder aufbegehrend, kann es nicht lassen, denn „Wie die Jagdgesellschaft das Wildschwein aufstöbert und schließlich stellt, so umstellen allmorgens die Buchstaben mich von allen Seiten und treiben mich in die Enge“. „Am Buchstabenmaterial“ habe er immer gern und fleißig gearbeitet. Es sind kleine, feine, scharfe Skizzen, birgt auch Schräges zum Schmunzeln, es sind Miniaturen, in denen er das Gesehene und Erfahrene in seiner Gailtaler Umgebung seziert, also dem Hintergründigen näherkommen will. Es ist ein sehr persönliches Buch, man erfährt darin u.a., dass er 86 Jahre alt ist, vor drei Jahren einen Autounfall hatte, nun „autolos“, jedoch mit Öffis und dem E-Bike unterwegs ist und hin und wieder bastelt er auch mit Ton kleine Figuren. Er wünscht sich vormalige Bedrängnisse zurück, wenn ihn Leere überkommt; er schreibt von den Beengungen der Kindheit, auch von seiner „Verstandes“-Liebe zum Vater, von gelegentlichen Regungen von altersbedingter Regression in seine Bubenjahre, als er damals beim Heimkommen mit vorwurfsvollen Fragen konfrontiert wurde. Er sieht sich als „ein schlichtes, auf einfachen Naturvorgängen beruhendes Wesen, manchmal eine ungesättigte Lösung, manchmal eine Überreaktion, manchmal ein Spannungsausgleich innerhalb chemischer Vorgänge. Über solche Vorgänge komme ich nicht nennenswert hinaus“.

Alltagsroutinen

Der Befund klingt kühl, pessimistisch: „Vom sogenannten Humanen, einer Daseinsform aus sagenhafter Zeit, weiß kaum noch jemand zu sagen, worin es besteht und warum Bewohner des dritten Jahrtausends noch immer daran hängen. Unter der Tyrannei der laufenden Vorgänge verschwindet es ohnehin zwischen den Zahlen, beziehungsweise stört noch manchmal ihre Stimmigkeit“. An anderer Stelle schreibt er, dass ihn an Gesprächen das Nutzlose, Schlechte, nicht Beachtenswerte interessiere. Bewegungsabläufe nimmt Obernosterer sehr detailliert unter seine Lupe. U.a. sind viele Routinen im Alltag- und Dorfleben geschildet, von den hämischen Redensarten und Gerüchteküchen, vom Häuslbauer-Umgang mit dem Haus, Begräbnisritualen, Staunenswertem im Garten eines Bildhauers, Verhalten in Warteschlangen (hinter einer Frau), vom auffällig davonbrausenden Sportwagenfahrer, Verstoß gegen Besuchsmodalitäten, vom „Zwischenhandel“ der Amtskirche, Liebesbeteuerungen, Rempeleien in der Politik, von Männern als „Exekutoren der weiblichen Belange“, von strenger Sortierung der Neuigkeiten einer Dorfbewohnerin, der angeblichen „Kürze“ von Frauen bei ihrer Kleider- und/oder Schuheauswahl, fehlendes Leserinteresse, usw. Der gebürtige Lesachtaler Autor, frühere Lehrer und Kunsterzieher, seinen Ursprüngen verbunden, versucht, „in möglichster Sachlichkeit zu dekonstruieren und zu verstehen“, heißt es seitens des Verlages.

Buchvorstellung in Hermagor

Sein neues Buch stellt Engelbert Obernosterer am Mittwoch, 8. Jänner im Stadtsaal in Hermagor vor. Beginn: 19 Uhr.

Karl Brunner